Ob sich Buddha tatsächlich nur von Hanfsamen ernährte, Shakespeare mal eine verdächtige Tonpfeife gepafft hat oder irgendein Tropf von der Tüte zur Spritze umstieg – das Thema Cannabis polarisiert. Und kommt, was den THC-haltigen Genuss betrifft, seit jeher mit einer ganzen Palette an Pro- und Kontra-Argumenten einher. Die man statt in der Pfeife auch gut auf OCB-Blättchen drucken und anschließend rauchen könnte. Dann hätte man sie wenigstens schnell vergessen. Oder würde die inbegriffene Sinnlosigkeit zumindest erahnen. Könnte dieses abgenudelte Spiel glatt auf einen einzigen Satz herunterbrechen: Ist keine Affinität vorhanden, fällt einen Ablehnung immer leicht – und ist sie da, wird Missbilligung wenig überraschend kein Hinderungsgrund sein. So wusste ich vor fast 30 Jahren, dass ich mit dieser uralten Droge wohl eine längere Verbindung eingehen werde. Die einen Großteil der späten Jugend im wahrsten Sinne des Wortes durch die Pfeife ziehen wird. Eine Zeit mit vielen unvergleichlichen, absurden als auch mystischen Momenten. Mit der ältesten Kulturpflanze im Gepäck – weltentrückt und verraucht, auf vertrauten und auf weniger bekannten Pfaden unterwegs.

Meine kompakte Wasserpfeife von „Bam Bam Bhole“ (Baujahr 1994), die noch immer existiert. Und mit der in den Neunzigern gefühlt eine ganze Monatsernte des Marokkanischen Rif-Gebirges verdampft wurde.
Man muss nicht gerade zu den „Haschbrüdern“ zählen, um gelegentlich darüber zu stolpern, dass einige unserer vielen Paragraphen schon etwas verwirrend sind. Eigentlich sollte das Wohl des Volkes immer das oberste Gesetz stellen. Zumindest nach Cicero. Aber wenn die Selbstbestimmung in etlichen Bereichen eingeschränkt ist, und das nicht nur bei Rauschmitteln, dann kommt man schon ins Grübeln. In einigen Fällen mag das ja durchaus sinnvoll sein. In anderen war vermutlich nur Pragmatismus die Ursache. Hm, was auch immer hier der Grund war, seit 1929 wird der Besitz von Cannabis nun einmal bestraft. Der Konsum allerdings nicht. Und seit dem muss man jederzeit damit rechnen, dass die Exekutive einen den Joint wegnimmt, wenn man damit auf der Straße leichtfertig poussiert. Was soll man nun von einer Rechtsordnung halten, wo der Besitz verboten, der Konsum aber straffrei ist? Das ist ähnlich, als wenn man Kindern das Radfahren gestattet, ihnen aber kein Fahrrad kauft. Aber was kümmert’s mich. Da ich zu der Sorte zähle, die grundsätzlich nach dem entscheidet, was man selber für sich als geeignet (oder eben ungeeignet) hält, war der erhobene Zeigefinger des Gesetzes nie ein Grund, einen freundlich hingehaltenen Joint abzulehnen.
Dabei habe ich im Leben nur wenige Joints geraucht. Die waren mehr eine Art Notlösung, wenn gerade nichts anderes im Gepäck war. Denn gequarzt wurde stets mit dem Blubber. So baute ich meine erste Bong aus einer alten Coca-Cola Plastikflasche. Mit Feuerzeug zwei Löcher reingebrannt, eine kleine Messingpfeife reingesteckt, mit Doppelklebeband fixiert und losgedampft. Kiffen mit Stil. Im Frühherbst 1994 gönnte ich mir dann eine von diesen „Bam Bam Bhole“ (die Firma heißt tatsächlich so) Glasbongs. Und obwohl das Gerät aus einfachem Glas besteht, existiert es noch heute. Das ist deshalb nennenswert, weil bei den Kumpels eine Wasserpfeife kaum mehr als zwei Monate hielt. Trotz „Magic Glass“ schafften die es immer wieder, das Ding in tausend Teile zu zerlegen. Lustigerweise war die nächste Bong dann auch immer einen Tick größer als die letzte. Und ich fragte mich irgendwann, ob man tatsächlich so ein kleinkindhohes Ungetüm mit zwei Chillums braucht? Meine kleine Wasserpfeife reichte mir vollkommen. Und auch wenn sie später noch eine dickbauchige Schwester bekam – sie steht ansehnlich wie am ersten Tag (und voller Schmand) im Schrank und erinnert an längst verrauchte Jahre, die nun vor fast 30 Jahren begannen.
Auffrischungskurs Cannabis – was man alles längst vergessen hat
Cannabis war mit 18 Jahren meine perfekte Ausstiegsdroge. Als hätte ich mein ganzes Leben genau darauf gewartet. Oder wie der alte Hippie sagen würde: »Du musst dich befreien, Mann!« Ganz recht. So befreite ich mich als erstes von der Vorstellung, schon mit 18 wissen zu müssen, welchen Beruf man irgendwann in irgendeinem Theater mal ausüben wird. Gesagt, getan. Als nächstes steckte ich meine Nase ins „Hanf-Handbuch“ und studierte. Fraternisierte mit der aus Schulzeiten verhassten Botanik. In dem Schmöker stand ja allerlei Zeug drin. Angefangen beim Unterschied zwischen dem gewöhnlichen Hanf (Cannabis sativa), der sich als Nutz- und Faserpflanze gut eignet. Und dem indischem Hanf (Cannabis indica), der als Rauschpflanze die besseren Karten hat. Etwas Grundwissen schadet nie. Auch wenn man mit Drogen prinzipiell nichts am Hut hat. Dann sollte man aber auch nicht mit seinem gezüchteten Halbwissen hausieren gehen und verbreiten, das Kiffer diese grünen Hanfblätter rauchen, die als Kultsymbol gerne irgendwo raufgenäht werden. Die raucht nun wirklich niemand. Genau wie man Crystal Meth nicht an der Fleischtheke erwirbt.
Geraucht werden ausschließlich die Blüten (Marihuana) und das gepresste Harz (Haschisch). Man kann beides natürlich auch essen. Schont die Lunge, zögert aber das Eintreten der Wirkung um mindestens eine halbe Stunde hinaus. Damit es sich im Magen gut löst, am besten zusammen mit fetthaltiger Nahrung. Ob man den Stoff also dampft oder mampft – ausschlaggebend ist, dass der Anteil an enthaltenen Cannabinoiden im Harz sowie in den (weiblichen) Blüten mit am höchsten ist. Und um die geht’s ja. Wobei, von diesen vielen chemischen Verbindungen interessiert eigentlich nur eine. Und das ist das psychoaktive Tetrahydrocannabinol (THC). Das ist quasi der Treibstoff der Wirkung. Daneben gibt es noch das Cannabidiol (CBD), das eher medizinisch interessant ist. Und auch die Wirkung des Rausches auf gewisse Art und Weise reguliert. Und dann existiert noch als weiterer Katalysator das Cannabinol (CBN), das allerdings nicht direkt von der Pflanze stammt, sondern als Abbauprodukt durch Oxidation, Licht und Wärme entsteht. Vereinfacht gesagt, bestimmt nun der Mix dieser drei Cannabinoide die Qualität des Haschischs bzw. Marihuanas. Und damit wäre auch schon alle relevante Theorie fürs Kiffer-Vordiplom erzählt. Der Rest ist Flugpraxis.

Vor zehn Jahren überkam es mich und ich bestellte aus Jux etwas „Marokkaner“ im Internet. Der lag dann auch unerwartet ein paar Tage später tatsächlich im Briefkasten. Der eigentliche Gag war aber, dass die Typen eine Rechnung mit beigelegt hatten – mit Rechnungsnummer und Mehrwertsteuerklausel. Hatte erst überlegt, den Schrieb bei der nächsten Einkommenssteuererklärung mit draufzulegen und das „Piece“ als Arbeitsmittel abzusetzen. Meine damalige Freundin fand die ganze Aktion alles andere als witzig und meckerte lieber rum. War mir aber egal.
… Wie wirkt der Shit? Die verschiedenen Teilstrecken des Rausches
Liest man so einige Beschreibungen über die Wirkung von Cannabis, kommt es einen fast vor, als hätten ein paar Gelehrte mit Seitenscheitel, Messgerät und Kuli einen Laborbericht abgeliefert. Da werden dann nüchtern Wirkungen wie „Redseligkeit“, „gesteigerter Appetit“, „Mundtrockenheit“ oder „veränderte Wahrnehmung“ notiert. Gut, kann man natürlich so angehen. So wie man Kindern Regen auch über Niederschlagsmenge und Fallgeschwindigkeit erklären kann. Aber wird man damit als interessierter Neuling viel anfangen können? Vermutlich kaum. Es ist eh ein kniffliges Unterfangen, Leuten ohne Erfahrung zu vermitteln, was nach dem Konsum an Sonderbarkeiten eventuell auf sie zukommt. Die gute Nachricht: Im Vergleich zum psychedelischen LSD spielt sich alles noch überwiegend im Rahmen des Gewohnten und Vertrauten ab. Die schlechte: Auch beim psychoaktiven THC kann die Wirkung je nach Empfindlichkeit und äußeren Einflüssen so ziemlich in die Hose gehen. Das sollte man wissen. Und ist wohl eine der drei Botschaften, die man Laien getrost mit auf die Reise geben kann.
Die zweite ist, dass die Wirkung eine gewisse Komplexität mitbringt und man das ebenfalls im Hinterkopf behalten sollte. Auch wenn irgendein Dussel einen mal erzählt hat, dass sich bekifft und besoffen nicht groß unterscheiden. Im Klartext heißt das, dass man überwiegend selber dafür verantwortlich ist, in welche Richtung die Tour dieses Betäubungsmittels geht. Ähnlich einer schwedischen Eisenpfanne. Mit der kann man mit etwas Erfahrung und Hingabe die besten Wiener Schnitzel zubereiten – oder eben nur ein Ei braten. Und zuletzt ist die Wirkung noch stark abhängig von der Mentalität sowie dem Setting (den äußeren Umständen). So wird in der Gruppe die Erfahrung meist völlig anders ablaufen, als wenn man alleine den Blubber leersaugt. Und dann ohne den Anker sozialer Kommunikation in Bereiche abzudriften vermag (mit Impulsgeschwindigkeit), die nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Streng genommen ist Cannabis auch kein Betäubungsmittel, da die klassische Betäubung nur eine Nebenrolle spielt. Sucht man die Keule des Vergessens und Verdrängens, ist man mit Hanf eh schlecht beraten und wählt besser das Schnapsregal. Oder fragt die Apothekerin.
Aber genug der Vorrede. Stellen wir uns (rein hypothetisch) vor, wir „toasten“ eine Zigarette und bröseln etwas Tabak zu einem dreiviertel Gramm öligen „Marokkaner“. Stopfen damit das Chillum (den Pfeifenkopf), halten den Daumen aufs „Kickloch“, zünden die Mischung und saugen kräftig ein. Als Anfänger (selbst als Zigarettenraucher) wird man dann erstmal loshusten wie ein alter Straßenköter. Später verzerrt man nur noch das Gesicht und pustet gelassen wieder aus. Ist das Gerät leergepafft, passiert in den ersten fünf Minuten erstmal nur wenig. Aber dann geht’s los. Willkommen im sog. Hauptturn, der ersten Phase des Rausches. Je nach Dosierung dauert diese Etappe in der Regel zwischen 50 und 80 Minuten. Eine Zeitspanne, in der viele körperliche Signale intensiver und anders als sonst wahrgenommen werden. Das beginnt bei den fünf Sinnen und dehnt sich über die innere Körperwahrnehmung bis hin zum Temperaturempfinden aus. Den Auftakt macht eine vom Rumpf her aufsteigende Welle, die sich hoch bis zur Kehle ausdehnt. Die Atmung wird tiefer, man fühlt sich leicht und beschwingt. Das kann für einige neu und ungewohnt sein. Besonders das nun auf den Kopf gestellte Temperaturempfinden.
So kann in den Wintermonaten Kälte als sehr angenehm empfunden werden. Besonders, wenn die kalte Außenluft langsam durch die Nase eingezogen wird. Oder einen Nieselregen und Schneeflocken ins Gesicht wehen. Kälte intensiviert erfahren ohne zu frieren? Das hat schon was. Damit aber nicht genug. Wenngleich die vertieften Körpersinne für sich genommen schon den Fahrpreis wert sind, so stellt die neue Konstellation des Geistes die größere Veränderung dar. Das Offensichtlichste, was auch Neulinge schnell zu spüren bekommen, ist das aus den Fugen geratene Zeitempfinden. Fragt man einen Bekifften nach der Uhrzeit, wird man im besten Fall noch »Jaa …« als Antwort erhalten. Der Geist bewegt sich nun vermehrt in den Bereichen des Intuitiven und weniger in denen des Kausalen. Der Zugang zu den äußeren Dingen geschieht nicht mehr über die im Westen bevorzugte Art des Analytischen, sondern spontan und ohne Umwege. Und vor allem dann, wenn man das begriffliche Denken für einen Moment sein lässt und sich ganz dem Moment hingibt. Ist man damit vertraut, kann so die Intensität der Wirkung wie mit einem Schieberegler gesteuert werden.

Die dickbauchige Bong-Schwester (Baujahr 1998) meiner alten „Bam Bam Bhole“. Aus verstärktem „Magic Glass“, mit großem „Kickloch“ und auch etwas mehr Volumen. Typisch für eine Bong ist, dass sich schon nach wenigen Anwendungen ein öliger Film und klebrige Ablagerungen bilden (sog. „Schmand“). Die Reinigung sollte daher nicht vernachlässigt werden. Auch wenn viele Kiffer das gern vergessen. Sonst schaut das Blubberwasser schnell aus wie Eigenurin. Und riecht auch nicht wirklich besser.
In dieser Zeit wird man ohne die nötige Konzentration schnell wieder das vergessen, was einen kurz zuvor noch logisch und plausibel vorkam. Der rote Faden wird richtig dünn. Lässt man sich in der stürmischen Innenwelt treiben, ahnt man schnell, wie sich Demenz anfühlen muss: »Hallo …? Wo bin ich hier?« Je nach Entrückungsgrad kann einen die innere Welt nun so fesseln, dass man für einen Augenblick orientierungslos an der Ampel steht und felsenfest überzeugt ist, man wäre in einer anderen Stadt. Konzentration ist aber immer die sofortige Rückfahrkarte in vertrautere Regionen. Und ein wichtiges Instrument, wenn man draußen alleine unterwegs ist. Man ist jetzt nicht nur komplett fahruntauglich, sondern auch als Fußgänger gut beraten, lieber zweimal hinzuschauen, bevor eine Straße überquert wird. Hier kommen die äußeren Einflüsse wieder ins Spiel. Im Guten wie im Schlechten. Denn die erhöhte Bewegungsfreiheit im geistigen Raum kann einen auch schneller in angstbehaftete Regionen führen. Besonders, da man draußen nicht nur nette Naturgeräusche aufs Auge gedrückt bekommt, sondern auch Lästiges wie Hektik, Lärm und vor allem schlechte Gerüche.
Vergisst man nicht, dass der Käpt’n für Navigation und Schiffswohl verantwortlich ist, wird die Reise weniger turbulent und dafür ertragreicher verlaufen. Der Blick nach Innen enthüllt eine schier unglaubliche Detailverliebtheit, die man so kaum kannte. Spaziert man durch eine Altstadt, kann einen die historische Architektur mit Malereien, Stuck und Ornamenten für Stunden faszinieren. Der Besuch im Museum gleicht einer Offenbarung. Selbst gewöhnliche Dinge wie Bäume nimmt man nicht mehr als hingewachsenes Etwas wahr, sondern als Mikrokosmos voller Struktur. Ein typisches äußeres Merkmal, dass jemand gerade in diesen Regionen unterwegs ist, ist neben den glasigen und geröteten Augen insbesondere das grenzdebile Grinsen. Das stammt daher, dass einen nun auch allerlei filmreife Slapstick-Einlagen durch den Geist schießen. Hier fusioniert alles, was irgendwie absurd und schräg ist. Als Unerfahrener ist es ratsam, sich dann nicht in Gesellschaft Nüchterner aufzuhalten, da man jeden Augenblick unkontrolliert losprusten könnte. Und dann die Männer mit der weißen Jacke gerufen werden. Als erfahrener Konsument kann man das innere und äußere Treiben irgendwann gut voneinander trennen – und setzt sich einfach ’ne Sonnenbrille auf.
Nach ungefähr einer dreiviertel Stunde wechseln sich so langsam die ersten beiden Phasen ruckartig ab. Wie eine Sinusschwingung, die sich leicht gekippt nach unten hin bewegt, werden die Phasen der Klarheit nun kontinuierlich länger und die stürmischen Momente dementsprechend kürzer. Spätestens nach 90 Minuten betritt man dann mit dem sog. Nachturn die zweite, längere und deutlich ruhigere Phase. Völlige Entspannung, Klarheit und eine universelle Verbundenheit (auch wenn das albern klingt) breiten sich in einen aus. Die Vergesslichkeit ist kein Thema mehr und man kann sich nun intensiv und ohne Ablenkung den Dingen widmen, die einen persönlich am meisten zusagen. Ob man nun musiziert, kocht, zeichnet, ein Buch liest oder einfach nur paralysiert auf dem Sofa liegt und nachdenkt. Es gibt in dem Augenblick nichts Erfüllenderes als genau das zu tun, was man in guten Momenten eh gerne tut. Das Zeitempfinden normalisiert sich wieder und nach ca. zwei bis drei Stunden verspürt man dann den berüchtigten „Fressflash“. Und der heißt nicht umsonst so. Oder um es mit Rilke zu sagen: »Wer jetzt nicht frisst, der frisst nicht mehr.«
Die Mengen, die man nun verdrücken kann, sind enorm. Und jedes gebeutelte „All-you-can-eat“-Restaurant wird anschließend keine Gäste mit geröteten Augen mehr hineinlassen. Mit der Sättigung kommt dann auch der Schlummer. Und am nächsten Morgen erwacht man aus einem tiefen und erholsamen Schlaf. Im Wesentlichen, da es dem stressbefreiten Geist vor dem Einschlafen sehr leicht fiel, genau bei einer einzelnen Sache zu verharren. Und er nicht wie ein Flummi von einem Thema ins nächste sprang. Mit dem neuen Tag ist es aber noch nicht vorbei, denn bis zu zwei Tage Nachwirkungen sind möglich. Als Zecher wird einen diese Aussage erschrecken. Man stelle sich vor, der Kater nach der Suffnacht ginge zwei volle Tage. Gut, wenn man über 40 ist, klingt das nicht mehr ganz so abwegig. Aber hier ist es positiv. Besonders am ersten Tag fällt es einen ziemlich leicht, sich allein durch Kontemplation wieder kurz zurück in die zweite Phase zu versetzten. Äußere Einflüsse wie Musik, Natur oder auch räumliche Weite können da sehr förderlich sein. Was man nun aber gar nicht gebrauchen kann, sind Unruhestifter jeglicher Art. Das wäre in etwa so, als wenn eine Tiroler Blaskapelle lautstark die Christmette stürmt.

Die alte „Bam Bam Bhole“ im Schleusengarten Bremerhaven. Live in Aktion. Im Winter ist man dort relativ ungestört. Kann in Ruhe das Gerät paffen und dann für ein paar Stunden die nasskalte Küstenluft genießen. Sich anschließend mit Fisch vollstopfen und dann hochzufrieden wieder zurück fahren.
Schulkiffer-Report: Was Eltern nicht für möglich hielten
So ein Kifferalltag in der Jugend brachte natürlich so einiges an Veränderungen mit sich. Vorbei die Zeit, wo man sein Taschengeld für Klamotten, CDs, Kino und
McDonald’s ausgab. Die ganze Kohle ging ja nun fürs Dope drauf. Zehn Mark am Tag waren normal. Also musste man kreativ werden und woanders sparen. Zum Beispiel bei der Nahrung. Unser Kifferparadies war dieser trashige Supermarkt namens „LeDi“ (Lebensmittel Discount) in Bremen Walle, wo ein halbes Kilo fertiger Milchreis in der Konservendose für 89 Pfennig herumstand. Dazu das Zitronentee-Instantpulver und fertig waren Speis und Trank für verrauchte Tage. Man sah vieles nicht mehr so eng. Und ein gewisser Pragmatismus, gepaart mit Gleichgültigkeit, prägte sich bei uns allen mehr oder weniger stark aus. Das erkannte man besonders an der Reinlichkeit. So könnte ich mich an keine Kifferbude erinnern, wo es blitzblank wie im Möbelhaus ausgesehen hätte. Nicht mal bei den Dealern. Meist musste man sich zuerst durch Altpapier und Pizzakartons wühlen, um dann auf einem Sofa vom Sperrmüll Platz zu nehmen. Und nicht selten sah das Blubberwasser wie frisch gezogener Schwarztee aus.
Meine Bong hingegen war stets frisch und sauber. Und auch meine Wohnung zählte eher zu der gemäßigten Sorte. Dafür war mein Schulalltag durch und durch chaotisch. Es ging längst nicht mehr darum, möglichst gute Noten mit heim zu bringen, sondern sich über den Weg des geringsten Widerstandes irgendwie bis zum Abitur durchzumogeln. Immerhin ging ich nun wieder gern zur Schule. Wenngleich auch nur, um mich vor der Schule umzuhören, wer Rauchbares dabei hat. Und dann zu entscheiden, welche Stunden man sausen lässt und welche nicht. Mittags waren wir dann (völlig stoned) wieder zurück im Schulgebäude und freuten uns über zwei Stunden Wahlsport (Flugpraxis durch Trampolinspringen) oder Kunst. Wo man durch wirres Gekritzel den schrulligen Lehrer stets beglücken konnte. Die Schule vermittelte uns aber nicht nur Wissen und Werte, sie drückte uns auch etwas Handfestes in die Hand. Das fiel zuerst den Mädels auf, da in allen Klos die Wasserhahnsiebe fehlten. Der Hausmeister konnte sich keinen Reim drauf machen, welcher Dödel ausgerechnet Wasserhahnsiebe klaut. So musste er jede zweite Woche die Siebe neu einsetzen. Damit sie wenig später dann in irgendeinem Chillum ihren wahren Zweck erfüllten.
Außerhalb der Schulzeit bestand der Alltag meist aus Abhängen. In der Gruppe wurde der Konsum zelebriert. Der Blubber machte die Runde, Mixtapes liefen im Hintergrund und irgendwer quasselte immer irgendwelchen Blödsinn. Der dann durch den Verzerrer der Wirkung noch um einiges beknackter herüberkam. Zu den regelmäßigen Themen zählte, wer Fressen (zum Baguetteladen) oder Nachschub (zum Dealer) besorgt. War der Dealer mal verreist (oder vorübergehend auf der Wache), gab es als Alternative noch die Marokkaner in den Wallanlagen. Die im Vergleich zum gängigen Straßenshit gute regionale Produkte ihrer Heimat im Angebot hatten. Es blieb nur der regelmäßige Akt, den Park zuerst nach Fahndern auszuspähen. Die erkannte man trotz Zivilkleidung zwar sofort, ähnlich als wenn sich Männer als Frauen verkleiden, aber auf den Stress einer Konfrontation hatte niemand Lust. Das wussten auch die Marokkaner, die immer für etliche Minuten spurlos verschwanden, nachdem man ihnen einen Zwanziger in die Hand gedrückt hatte. Wo genau die nun ihr Depot hatten, wird wohl wie das Bernsteinzimmer ein ewiges Geheimnis bleiben.
Waren auch die Marokkaner nicht anzutreffen, schaute man blöd aus der Wäsche. Das kam in den Jahren zum Glück nur einmal vor. Da hingen wir auf einem Samstagabend ohne Dope herum und bliesen Trübsal statt Rauch in die Luft. Theoretisch hätten wir am Hauptbahnhof noch dieses verunreinigte Gras bekommen können, das wie eine Wunderkerze abbrennt. Doch halt! Da gibt’s doch noch die berüchtigte Afrokneipe Jam-In – die in den Neunzigern die halbe Waller Heerstraße mit Reggae-Musik beschallte. Also nichts wie hin. Drinnen war es zappenduster, nur UV-Licht. Man sah eigentlich nichts, außer Zähne. Und verstehen konnte man erst recht nichts, da Peter Tosh und King Tubby mit knapp 100 Dezibel aus den Boxen dröhnten. Also den erstbesten Rastaman mit vor die Tür gezogen und nach Gras angesprochen. Der zog dann langsam ein Tütchen aus seiner Hosentasche und murmelte sowas wie »Oh bwoy, mi never so stoned! Gud herb man, gud herb!« in seine Dreadlocks. Zwanzig Mark in die Hand gedrückt, ein breites Grinsen gab’s kostenlos obendrauf. Um daheim dann festzustellen, dass der Shit natürlich überhaupt nichts taugte.
So spaßig der Gruppenkonsum war, ging ich irgendwann dazu über, auch die einsamen Momente auszukosten. Ohne Ablenkung entdeckte ich noch andere Facetten der Wirkung, die mich faszinierten. So zog es mich hinaus. In den Stadtwald, ins naturbelassene Umland und regelmäßig zum Jahresende ins nasskalte Bremerhaven, um dort im alten Schleusengarten den Blubber rauszuholen und anschließend für ein paar Stunden die volle Dröhnung Küstenwetter zu erleben. Zurück in der Bude, zeichnete ich mit Bleistift herum. Wo es weniger darum ging, irgendetwas darzustellen, sondern motorisch aktiv zu sein, während der Geist noch auf Reisen war. Heraus kam dieses Bündel an Kifferzeichnungen. Ein Relikt dieser Zeit, über das sich heute noch schmunzeln lässt. Und egal, ob man stoned alleine oder mit Kumpels unterwegs war. Das Gesetz lautete, dass immer irgendwelche bizarren Dinge passieren. Entweder selber heraufbeschworen – oder man fand sich ohne eigenes Zutun im falschen Film wieder. Darunter zwei Anekdoten, die so absurd sind, dass man sie eigentlich hätte verfilmen müssen. Einmal unsere Harzfahrt an der Oberstufe. Und ich völlig stoned bei der Musterung.

Collage meiner Kifferzeichnungen von 1995. Für den Louvre hat es zwar nicht ganz gereicht, aber dafür behalte ich diese Relikte längst vergangener Zeiten in Ehren. Es sind halt einige dieser Werke, die man irgendwann vielleicht den Enkeln – aber niemals einem Schulpsychologen in die Hand drücken sollte.
»Haste Haschisch in den Taschen …« – gibt es immer was zu lachen
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, zur Musterung nüchtern hinzugehen. Mit dem Kreiswehrersatzamt war noch nie zu spaßen. Aber was soll man machen, wenn kurz zuvor ein Kumpel mit einer Handvoll „Ketama“ aufkreuzt? Da saß ich nun entrückt und weggetreten in der elften Etage des Bundeswehr-Hochhauses und büßte: »Scheiße, Mann. So stoned war ich noch nie …«. Ich kann nicht sagen, ob ich fünf Minuten oder zwei Stunden warten musste. Irgendwann kam eine barsche Ärztin und musterte mich skeptisch. Die Frage nach dem Konsum illegaler Drogen verneinte ich natürlich – mit blödem Grinsen, glasigen Augen und „Full Metal Jacket“ live im Kopfkino: »Sind Sie Pfeifenraucher?!?« … »Sir! Nein, Sir!« Nach dem rituellen Kniff in den Sack ging es dann zur Urinprobe ins Klo. Ich nahm den Becher von der Ablage, wo stand, dass dieser auch genau dort wieder abgestellt werden muss. Das hatte ich flux wieder vergessen. Ich füllte das Ding, ging raus und stellte den vollen Pisspott direkt auf den Schreibtisch der Ärztin. Es folgte dieser fassungslose Blick und der legendäre Satz: »Sie werden doch wohl hoffentlich verweigern!«
Unsere Harzfahrt war dann das Highlight im Winter 1995. Schon nach der Hälfte der Fahrt überkam mich die Dummdreistigkeit, in der hintersten Busreihe die Bong herauszuholen und ein Chillum anzurauchen. Zu spät fiel auf, dass die dicken Rauchschwaden, die sich nun langsam nach vorn bewegten, wohl keine so gute Idee waren. Jede Sitzreihe drehte sich wie Dominosteine um und glotzte mich entgeistert an. Und ganz vorne saß der depperte Sportlehrer, der für Drogen so gar nichts übrig hatte. Wenn man von seinem regelmäßigen Bierkonsum mal absieht. Aber das Glück war mit den Schludrigen. Weniger davon und man hätte mich mit Tritt in den Hinten dankend von der Oberstufe verwiesen. Und so dampfte ich gelassen weiter. Wenig später, oben auf dem Wurmberg, sah man dann eine qualmende Seilbahngondel sich öffnen und einen in Rauchschwaden eingehüllten Typen mit seinem Kinder-Holzschlitten langsam aussteigen. »Wir wollten schon die Feuerwehr rufen!« rief einer der Seilbahnangestellten noch hinterher. Es dauerte aber seine Zeit, bis dieser Satz bei mir ankam. Da saß ich längst auf dem Schlitten, chillend und weltentrückt die lange Rodelbahn nach Braunlage herunter.
Fazit – »Ich zeig dir, wie man fliegt. Abheben musst selber.«
Auch wenn meine regelmäßigen Drogen nun seit über 20 Jahren Grüntee und Sauna heißen, so will ich die Zeit von damals nicht missen. Mit allen Licht- und Schattenseiten. Und dass psychoaktiver Grüntee zufälligerweise legal ist, ist in diesem schönen Land auch nicht gerade selbstverständlich. Ich stelle mir vor, wie ich anstatt zum Bioladen wieder regelmäßig in den Park schleichen müsste, um mir dort von ein paar Asiaten bei Dämmerung ein Tütchen Grüntee andrehen zu lassen. Der dann vermutlich noch mit Jasminblüten und Zitronengras gestreckt wäre. Und ich dann als Krönung auf dem Rückweg von einer Zivilstreife angepöbelt werde: »Halt, Grünteetrinker! … Bitte einmal die Taschen entleeren!« Diesen Stress will ich mir heute nicht mehr antun. So wie ich mir viele Dinge unserer Zeit am liebsten ebenfalls nicht mehr antun müsste. Aber sei’s drum: „The herb abides“ – der Hanf bleibt. Hat man ihn einmal schätzen gelernt, wird man ihn so schnell nicht wieder los. Ob man will oder nicht. So wie die Zeugen Jehovas, wurden sie einmal leichtgläubig in die Wohnung gelassen.
Nur betrachte ich den Hanfrausch heute nicht mehr als jugendliche Dauerbleibe mit schöner Aussicht, sondern vielmehr als altersgerechte Exklusivität. Ein Mitbringsel aus vergangener Zeit, das an besonderen Tagen wieder auspackt und mit Bedacht einsetzt wird. Wenn die äußeren Umstände stimmen, die Gemütslage passt, alle Zerstreuungen und Störenfriede für ein paar Stunden in die Wüste geschickt werden und die folgende Zeit bewusst und feierlich erlebt wird. Und es einem scheißegal ist, was Krethi und Plethi dazu sagen, wenn man als angehender Greis im Park die alte Bong rausholt und lieber marokkanischen Rauch statt Trübsal in die Welt bläst. Kurzum: Nichts mehr, was man unbekümmert zum Alltag macht. Es kommt ja auch niemand auf die Schnapsidee, jeden Tag Weihnachten feiern zu wollen. Außer ein paar Briten vielleicht. Denn die Jugend verzeiht einen so manchen Lebenswandel. Im fortgeschritten Alter funktioniert das aber nicht mehr. Da ist man schon froh, wenn man nach zwei Weizen den schnellsten Weg ins Bett findet und die Hose trocken bleibt.
Was ist also übriggeblieben nach knapp vier Jahren Dauerkonsum in den guten alten Neunzigern? Wo jeder Tag mit der charmanten Frage begann, wann wohl die erste Mischung angebaut wird. Und mit der frühsenilen Ungewissheit endete, wann eigentlich die letzte war? Nun, da ist eine Menge an einzigartigen Erinnerungen und natürlich auch etwas Nostalgie. Sowie das Bündel an vergilbten Kifferzeichnungen, mit der man jede neue Freundin auch gleich wieder vergraulen kann. Und nicht zu vertuschen die Langzeitfolgen als Preis für den jahrelangen Konsum. Nichts ist schließlich umsonst. Dazu zählen so Dinge wie dass ich stets im Plural von mir selber spreche. Oder bei Teamsitzungen schon nach zwei Sekunden abschalte und lieber in meinem inneren Theater Platz nehme. Da ist es bequem. Und vor allem ruhiger. Mein beruflicher Ehrgeiz ist eh nur gespielt. Irgendwann wird man mir sicherlich den Orden des „lausigsten Mitarbeiters“ in die Hand drücken. Aber das ist mir egal. Und im Gegenzug zu all den besonderen Momenten auch ein angemessener Preis.
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